Wirtschaftspolitik:

für eine Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft!

 

Verarmt die Mittelschicht?


Deutschland gehört nach wie vor zu den reichsten Ländern der Welt. Allerdings wird immer deutlicher, dass nach den Hartz-Reformen die soziale Spaltung in der Gesellschaft zugenommen hat.

Die relative Armut (Einkommensarmut) hat zugenommen. Darunter versteht man die Haushalte, die über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens verfügen. Zur Mittelschicht gehören jene, die etwa 70-150 Prozent des Durchschnittseinkommens verdienen. Die Extreme streben immer weiter auseinander. Bis 2000 lag der Anteil der Mittelschicht bei 62 Prozent der Bevölkerung. Bis 2006 sackte dieser Anteil auf 54 Prozent ab. Mittlerweile müssen 10 Millionen Menschen auf ALG2-Niveau leben. Die Mittelschicht ist besonders von der Ausdehnung der schlecht bezahlten Jobs betroffen. Wir haben in Deutschland 5 Millionen Arbeitslose, davon ein Drittel Langzeitarbeitslose. Auch bei Einführung eines Niedriglohnsektors werden viele nicht mehr in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Diese Armutsquote ist aber auch konjunkturabhängig.

Die Debatte blendet jedoch den harten Kern der extremen Armut in Deutschland aus: Obdachlose, Heimbewohner, Analphabeten kommen in der Statistik gar nicht vor und erscheinen daher auch nicht im Armutsbericht der Bundesregierung. In Deutschland gibt es etwa 800 000 verdeckt Arme (=1 Prozent der Bev.), 400 000 Wohnungslose und 4 Millionen Analphabeten.

Immer wieder behaupten arbeitgebernahe Institutionen, dass die Globalisierung und ihre Folgen ein nicht beeinflussbarer Vorgang seien. Mit der Globalisierung schrumpfe oder verschwinde die Mittelschicht in Deutschland.
Das ist aber kein Schicksal, sondern eine Folge der umgesetzten monetaristischen Ideen nach Hayek und Friedman, die immer wieder in den Medien angepriesen werden. Der Staat soll überall wie ein Wirtschaftsunternehmen funktionieren und nur geringe Kosten verursachen.

Sozialkritische Netzwerke wie Attac vertreten dagegen die Auffassung, dass die Globalisierung durch die Liberalisierung der Finanzmärkte entstanden ist. Sie fordern ein umfassendes staatliches Handeln.

Um darauf eine politische Antwort zu finden muss man fragen, was änderbar ist und was nicht.

Globalisierung und Energie

Seit 2003 verfünffachten sich die Rohölpreise wegen dem wachsenden Energieverbrauch. Damit steigen die Lebenshaltungskosten deutlich an. Ein Ausweg sind massive Investitionen in solarthermische Kraftwerke und Windenergie auf dem Meer. Biogas und Biosprit aus Nahrungsmitteln sollten verboten werden. Die EU muß konsequent Zölle gegen Produkte durchzusetzen, die unter Verletzung von Umwelt- und Sozialstandards erzeugt wurden. Durch den Abbau ökologisch zerstörerischer Subventionen könnte die Bundesregierung pro Jahr 30 Mrd Euro einsparen.

Lohndumping auch in Deutschland

In Deutschland liegt das Pro-Kopf-Einkommen immer noch deutlich unter dem Großbritanniens, Frankreichs und kleinerer Staaten wie Österreich und Luxemburg. Deutschland hat durch das Lohndumping die anderen Euro-Staaten an die Wand gedrückt. Da es wegen der einheitlichen Währung keine Wechselkurse innerhalb des Euro-Raums mehr gibt, lässt sich das nicht mehr auf diesem Wege ausgleichen. Das deutsche Übergewicht in einer Währungsunion gegenüber in Frankreich, Italien und Spanien führt langfristig dort zu einer Deindustrialisierung. Deutschland konkurriert also andere europäische Länder nieder. Später muss Deutschland aber über EU-Transfers die Einkommen der Unterlegenen mitbezahlen. Die Dienstleister müssen mit den Preisen für ihre Dienstleistungen immer weiter runter gehen, was weitere Dumpinglöhne und Schwarzarbeit nach sich zieht.
Die Lohnpolitik sollte in der EU regional gestaffelt werden. Die Löhne in einem Währungsgebiet müssen sich an der Produktivität in dieser Region orientieren.

Demographie und Rente

Ein anderer Bereich der voller Probleme steckt, ist die Rentenlüge. Die Versicherungen und die führenden Politiker haben durch gekaufte Studien und Analysen, durch Medienkampagnen und falsche Wissenschaft das Vertrauen in die Umlagesysteme gezielt geschwächt. Die negative demographische Entwicklung in Deutschland wird langfristig zu einem Zusammenbruch der Sozial-, Gesundheits- und Rentensysteme führen. Dort wird sich die Situation für die Mittelschicht am massivsten zuspitzen. Diese Entwicklungen lassen sich aber nicht mehr verhindern. Entstanden ist diese Entwicklung aus negativen Anreizen für potentielle Eltern. Hinzu kommt, dass die negative demographische Entwicklung eine deflationären Entwicklung mit sich bringt. Die ist mit herkömmlichen monetären Mitteln nicht beherrschbar.
Volkswirtschaftlich geht durch die erhöhte Sparquote sogar die Nachfrage zurück, so dass Riesterrenten auch noch krisenverschärfend wirken. Eine alternative Anlage ist nicht möglich, da die demographische Entwicklung in Europa und fast allen Industriestaaten in diese Richtung geht.

Bildung

Fehlende oder mangelhafte Bildung ist der Auslöser der Armut und zementiert zugleich die Armut. Kinder aus bildungsfernen Milieus haben ein größeres Armutsrisiko. Die Finanzierung von Abitur und Studium stellt Kinder aus armen Familien vor ein unüberwindbares Hindernis. Wenn das Bildungssystem immer mehr elitären Charakter bekommt und die Breitenbildung zurückgeht, dann wird die Mittelschicht weiter zurückgehen.

Steuern

Wir brauchen den Schutz der Umlage-Sozialsysteme für Eltern und der progressiven Steuersysteme, die den Sozialstaat finanzieren. Die Klage der Reichen über die hohe Steuerbelastung bekommt angesichts der wachsenden Ungleichheit etwas Zynisches. Die Mittelschicht schrumpft, die Gruppe der Armen wächst ebenso wie der Reichtum an der Spitze.

Autor: U. Brehme