Verkehr:
für eine ökologische Verkehrspolitik!
VW klagt gegen die DUH
Am 3. April 2017 erwirkte der Volkswagen-Konzern eine Einstweilige Verfügung gegen die
Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor dem Landgericht Düsseldorf. Anlass ist die Veröffentlichung von
Messwerten von realen Abgasmessungen durch die DUH. Diese zweifelt damit die Wirksamkeit des
Softwareupdates an, mit dem die NOx-Emissionsgrenzwerte ohne die illegale Abschalteinrichtung angeblich
eingehalten werden sollten. Auch wenn es formal rechtlich eine korrekte Entscheidung sein sollte,
so hat man doch unwillkürlich das Gefühl, daß hier einer Umweltorganisation ein Maulkorb verpaßt werden soll.
Es ist überhaupt technisch fragwürdig, wie eine Grenzwertüberschreitung von 3500% nur mit einem
Softwareupdate und einem Strömungsgitter bei PKWs von VW verhindert werden soll.
In den USA verlangen die Umweltbehörden, dass die Diesel-Pkw auf der Straße die Grenzwerte einhalten
oder eben zurückgekauft werden müssen.
Es ist außerdem auch unglaubwürdig, wenn heute alle Verantwortlichen behaupten, nichts von der
Grenzwertüberschreitung von Stickoxiden durch PKW gewußt zu haben.
Das betrifft die Führungsgremien fast aller Auto-Konzerne, deren Fahrzeuge die Grenzwerte deutlich
überschreiten genauso, wie die politisch Verantwortlichen in der EU-Kommission und im
Bundesverkehrsministerium. Sie behaupten alle überhaupt nichts von den höheren Stickoxidemissionen
bemerkt zu haben, obwohl immer wieder darauf hingewiesen wurde.
Dr. Axel Friedrich war Leiter des Verkehrsressorts im deutschen Umweltbundesamt und Mitbegründer
des International Council for Clean Transportation (ICCT). Der promovierte Chemiker und Umweltexperte,
hatte die Abgaswerte der großen deutschen Autohersteller untersucht und festgestellt, dass die
Stickoxidwerte auf der Straße im Schnitt sieben Mal höher sind als auf dem Prüfstand und dafür
Aufmerksamkeit bei den US-Behörden gefunden. Damit brachte er den Diesel-Skandfal ins Rollen.
Der ehemalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) machte Ende 2007 Dr. Friedrich für
unwirksame Dieselrußfilter verantwortlich. Dabei war es Friedrich gewesen, der diesen Skandal aufdeckte.
Friedrich verlor seine Zuständigkeit für den Verkehrsbereich als Abteilungsleiter.
Heute koordiniert er die Abgasmessungen für die DHU.
Meßwerte belegen die Emissionen
Die Meßgeräte der Umweltüberwachung an Straßen in Deutschland weisen eindeutig nach, daß es immer
wieder zu Grenzwertüberschreitungen von Stickoxiden durch den Straßenverkehr in Ballungsgebieten kommt.
An etwa 50 % der verkehrsnahen Messstationen wurde der Grenzwert im Jahr 2016 überschritten. Stickoxide
sind die Hauptquelle für die Ozonbildung. Durch Ozon werden viele Menschen in ihrer Gesundheit stark
beeinträchtigt und langfristig geschädigt. In deutschen Großstädten rücken Fahrverbote für Fahrzeuge
mit Dieselmotoren immer näher.
Mit dem Klimawandel erhöht sich die Temperatur und damit das Risiko hoher Ozonkonzentrationen um 30-100%,
falls die Emissionen der Vorläuferstoffe nicht weiter reduziert werden. Besonders Süddeutschland ist
davon betroffen, denn dort kommt es häufiger zu Wetterlagen, wo ein Luftaustausch kaum noch stattfindet.
SCR-Katalysatoren helfen
Mit der Abgasstufe Euro 6b fiel der vorgeschriebene Grenzwert deutlich von 180 auf 80 Milligramm
Stickoxid je Kilometer. Hierfür werden die Motoren mit speziellen SCR-Katalysatoren ausgestattet,
in die Harnstoff eingespritzt wird. Dabei nutzt man die selektive katalytische Reduktion,
bei dem ein Katalysator und ein Tank für AdBlue installiert werden. Die Menge des NOx wird im Abgas
gemessen und die korrekte Harnstoffmenge berechnet. In einem Katalysator reagiert dann Ammoniak
mit NOx um Stickstoff und Wasser zu bilden und um sicherzustellen, dass NOx bis zu 80% reduziert wird.
Mit einem beheizten Katalysator läßt sich der Betriebsbereich des Katalysators im Stadtverkehr erweitern.
VW hat den Einsatz dieser SCR-Technologie in seinen Fahrzeugen nur deshalb so lange verweigert,
weil dann der Kofferraum durch den Ad-Blue-Tank etwas kleiner wäre. Verbraucher können solche
Bedenken der Autohersteller gar nicht nachvollziehen. Dabei funktioniert der SCR-Kat bei LKWs
seit vielen Jahren problemlos.
Der Staat sollte nun die Nachrüstung von SCR-Kats für alte Dieselfahrzeuge subventionieren,
um deren Einführung zu beschleunigen. Das wäre ein sinnvoller Weg, die Ozonbildung und damit
verbundenen Gesundheitsschäden bei vielen Bürgern zu reduzieren. Der Autozulieferer TwinTec bietet
diese Systeme z.B. an. Bei Materialkosten von etwa 850 Euro liegt der Gesamtaufwand für eine Umrüstung
bei etwa 1500 Euro. Durch mögliche Steuervorteile könne man den Umbau für den Kunden noch günstiger gestalten.
Die Abschaltung der SCR-Kats ist verbreitet
Einige Fahrzeughersteller z.B. VW, Fiat, Renault und Daimler schalten diese Technologie bei
Euro6-Fahrzeugen oft ab. Das belegen Messungen der DUH. Die EU schreibt vor, dass Vorrichtungen
zur Abschaltung der Abgasreinigung verboten sind. Zudem ist festgelegt, dass die Filtersysteme im
Alltagsbetrieb voll funktionsfähig sein müssen, um die Grenzwerte einzuhalten. Moderne LKW mit
Dieselmotor der Euro-6-Norm stoßen durchschnittlich im realen Straßenbetrieb 210 mg NOx/km aus.
PKW der Klasse Euro 6 stoßen sogar 500 mg NOx/km (etwa doppelt soviel Stickoxide) aus, obwohl
sie viel weniger Nutzlast haben.
Mit den neuen Tests bei der Typzulassung soll in der EU weniger Betrug bei den Abgasuntersuchungen
für Typgenehmigungen möglich sein. Diese Tests erfolgen aber weiterhin mit speziell dafür
vorbereiteten Prototypen der Hersteller, die sich von den Serienfahrzeugen stark unterscheiden.
Der systematische Bruch der Emissionsschutzgesetze in der EU durch die Hersteller und die nationalen
Regierungen wird durch das Wegschauen der Verantwortlichen in der EU begünstigt.
Der ADAC untersuchte ebenfalls den Stickoxid-Ausstoß von aktuellen Euro-6-Dieseln nach den künftigen
Regeln des künftigen "Weltzyklus" (WLTC) auf dem Prüfstand: Nur 17 von 69 Autos hielten den EU-Grenzwert
von 80 mg/km ein. Dieser Prüfablauf soll 2017 bzw. 2020 mit höheren Beschleunigungsphasen in der EU
eingeführt werden. In den USA wird er bereits angewendet. Die US-Norm Sulev 2 hielt kein einziger
geprüfter Euro-6-Fahrzeutyp ein, nur 5 Fahrzeuge die aktuelle US-Norm.
Es wäre sinnvoll wie in den USA einer Umweltbehörde, z.B. dem Umweltbundesamt (UBA) die
Überprüfung der Emissionen der Fahrzeuge auf Stickoxidemissionen im fließenden Verkehr zu übertragen.
Ebenso müßte das UBA das Recht bekommen, Fahrzeuge stillzulegen, die die Grenzwerte deutlich
überschreiten. Die Software für den Betrieb der Abgasanlagen muß ebenso endlich offengelegt werden.
Die Einführung der Blauen Plakette wird vom CSU-geführten Bundesverkehsministerium verhindert. Dabei
wäre ein Einfahrverbot in emissionsbelastete Gebiete geeignet und sinnvoll, die Stickoxid-Emissionen
stark zu reduzieren. Dafür muß die Bundesregierung gegenüber der Autoindustrie die Nachrüstung von
alten Diesel-PKWs mit SCR-Kats endlich zügig durchsetzen. Außerdem müssen ausgerüstete Fahrzeuge
diese SCR-Kats auch dauerhaft einsetzen, statt sie immer wieder heimlich abzuschalten. Für
Nachrüstsysteme fehlen bisher aber klare gesetzliche Rahmenbedingungen und Anreize.
So wird eine konstruktive Lösung bisher weitgehend verhindert. Sollte etwa Angst vor der
Autoindustrie oder Lobbyismus die Ursache dafür sein?
Stand: April 2017
Autor: Ulrich Brehme
Quellen:
Axel-Friedrich UBA
ADAC-Test Euro-6-Fahrzeuge
Deutsche Umwelthilfe