Innenpolitik:

Datenschutz statt Überwachung!

 

zur Verschärfung der "präventivpolizeilichen Maßnahmen"
in Bayern (PAG)



Doppelte Standards im Datenschutz sind der Weg in den Polizeistaat

Die Empörung der Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel, ihrem Innenminister Seehofer oder Justizministerin Barley zum Datenmißbrauch bei Facebook zur Wahlmanipulation sind unglaubwürdig. Sie vertreten doppelte Standards in der Datenschutzpolitik. Einerseits bekennen sie sich dazu, den Datenmißbrauch durch Internetkonzerne zurückdrängen zu wollen. Andererseits wollen sie aber die Überwachung der Bevölkerung immer weiter ausweiten.

Der neue Bundesinnenminister Seehofer will auf Bundesebene das Polizeirecht verschärfen, nach dem Vorbild Bayerns. Dort wurde das Polizeiaufgabengesetz im Mai 2018 im Bayerischen Landtag beschlossen. Die hier besprochenen Teile wurden unter dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer ausgearbeitet.
Dieses Polizeiaufgaben-Gesetz (PAG) kommt einem Ausbau der Polizei zu einem Geheimdienst gleich. Die Polizei als Exekutive darf künftig präventive Ermittlungen ohne konkrete Hinweise auf Straftaten führen. Damit kann die Polizei wie ein Geheimdienst agieren. Jetzt wollen auch andere Bundesländer wie Niedersachsen und NRW ihr polizeiliches Überwachungsrecht verschärfen. Dahinter steht letztlich das Konzept des Feindstrafrechts (s.u.).

In Bayern wurde das Gefährderstrafrecht im PAG bereits im Juli 2017 beschlossen.
In Bayern kann die Polizei nach dem PAG Bürger präventiv als Gefährder einstufen und einen Wohnort zuweisen. Gefährder dürfen bei konkretem Verdacht für zunächst 3 Monate und dann für jeweils 3 weitere Monate, insgesamt jedoch unbegrenzt in Vorbeugehaft genommen werden. Dabei geht es nicht nur um Terror, sondern um normale Kriminalität.

Generell werden im Gesetzentwurf die Einschreitschwellen für die Polizei herabgesenkt und die Überwachungsfristen verlängert. Das Trennungsgebot zwischen der Polizei und den Geheimdiensten wird mit diesem Gesetzentwurf praktisch abgeschafft. Eine richterlicher Kontrolle der Überwachungstätigkeit der Polizei ist nur lückenhaft gegeben. Die Normen des Grundgesetzes und des Datenschutzes werden in grober Weise gebrochen.

Es ist auch fragwürdig, ob es überhaupt zu den polizeilichen Aufgaben gehört, in diesem Ausmaß geheimdienstliche Aufgaben übertragen zu bekommen. Damit kommt es im Polizeirecht in Bayern zu einer Annäherung an die Möglichkeit zu einer Totalüberwachung, die mit der Menschenwürde unvereinbar ist (siehe BVerfG-Urt. v. 20.04.2016).


"Privatsphäre ist ein Menschenrecht. Die Privatsphäre ist ein Abwehrrecht der Bürger gegenüber dem Staat. Diese Rechte wurden nicht für die Eliten geschaffen. Das Überwachungssystem existiert, um die Eliten zu schützen." (Edward Snowden)


Statt gezielter Überwachung findet eine verdachtsunabhängige Massenüberwachung statt. Immer mehr Menschen sind besorgt über die Überwachung, die überall um uns herum stattfindet. Und die Polizei will jetzt auch Zugriff auf diese Daten haben.

Mit der Nutzung der neuen Überwachungstechnologien wird die Grundlage für Überwachungsstrukturen gelegt, wo allein die Architektur der technischen Systeme und deren Datenzugriff über die Überwachungsdichte der Bevölkerung bestimmt. Der Gesetzgeber hat aber eine angemessene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Die Gewaltenteilung, die Kontrolle und die Dezentralisierung staatlicher Macht müssen erhalten bleiben. Dies ist nur bei einer unhintergehbaren Trennung von Polizei und Geheimdiensten gewährleistet.

Alle Überwachungen mit technischen Mitteln, auch die kurzfristige Überwachung (Art.36 PAG), ist generell unter Richtervorbehalt zu stellen, wenn nichtöffentliche Gespräche erfasst oder Vertrauenspersonen eingesetzt werden.
Die Überwachung führt zu einer Gefährdung der Demokratie, weil man als Bürger bestimmte, vom Staat als kritisch angesehene Verhaltensweisen vermeidet. Es entsteht ein Konformitätsdruck unabhängig von der Frage, ob die Behörden tatsächlich auf die Daten zugreifen oder nicht.
Diese Gesetze greifen in erheblichem Maße in das nach Art. 2 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes geschützte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das durch Art. 10 GG besonders geschützte Fernmeldegeheimnis ein. Es verletzt auch den Schutz der personenbezogenen Daten, der in Artikel 8 der EU-Charta garantiert wird.


Konkret zum bayerischen PAG




präventivpolizeilichen Maßnahmen, die durch das Landesrecht gesetzlich geregelt sind:
Schleierfahndung in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs, kurzfristige und längerfristige Observation, Gewahrsam, Telekommunikationsüberwachung (Inhaltsdaten), Verkehrsdatenerhebung (Verbindungsdaten), Ortung von Mobilfunkgeräten und Funkzellenabfrage.


Das Feindstrafrecht wurde 1985 G. Jakobs vorgeschlagen, um "Gefährdern" die Bürgerrechte zu versagen. Bereits in der Zeit des Nationalsozialismus wurden sogenannte "Volksschädlinge" von der Geheimen Staatspolizei in "Schutzhaft" genommen. Für ihre Aburteilung waren der Volksgerichtshof und andere Sondergerichte zuständig. Ohne Gerichtsverfahren wurden sie in Konzentrationslager gesperrt und ab 1942 millionenfach ermordet.
Die Strafbarkeit wird mit dem Feindstrafrecht weit in den privaten Bereich vorverlagert. Bei diesen Tatbeständen fällt die Strafe überproportional aus, das Parlament geht über zu einer "Bekämpfungsgesetzgebung" und prozessuale Garantien werden abgebaut. Das Feindstrafrecht ist in Deutschland ein Verfassungsbruch. Das Grundgesetz schützt die Menschenwürde, das Gleichheitsgebot und die Glaubens- und Meinungsfreiheit und duldet keine Ausgrenzung Einzelner. Ein Gesinnungsstrafrecht ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.


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